Rehwild in Brandenburg vogelfrei?

ReheDas meint jedenfalls der verdiente Prof. Dr. Hans-Dieter Pfannenstiehl in einem Gastbeitrag vom Oktober in JAWINA. Er begründet das damit, dass nach der Änderung des Landesjagdgesetzes Brandenburg am 10. Juli 2014 für Rehwild kein Abschussplan mehr einzureichen ist und nach der neuen DVO vom Oktober „Rehwild von Stund an in Brandenburg vogelfrei ist und vom Gesetzgeber ganz offenbar nicht mehr als wesentlicher Bestandteil der heimischen Natur gesehen wird“. Zudem habe die Oberste Jagdbehörde in einem Rundschreiben vom 20. Oktober angeregt, dass auch dort, wo bisher Abschusspläne für Rehwild Bestand hätten, ein Verstoß einfach ignoriert werden solle. Sein Fazit: „die Wald vor Wild-Scharfmacher dürfen ab sofort unbehelligt die unbarmherzige Bekämpfung des Schädlings Reh in ihren Revieren starten bzw. weiterführen, wie man besser sagen sollte“.

Klar ist sicher: die Entwicklung des Jagdrechts gibt auch in Brandenburg, wenn auch nicht so stark wie etwa in NRW oder Baden-Württemberg, Anlass zur Besorgnis.

Aber:

Ganz so schlimm ist es ja nun doch nicht!

Zunächst mal ein kleiner Trost, wenn auch natürlich keine Entschuldigung für „Schädlingsbekämpfung“ statt Hege: es ist, nach vielen Untersuchungen und langjährigen Reviererfahrungen, verdammt schwer, Rehwild wirklich auszurotten. Diese kluge kulturfolgende Wildart hat sich seit Jahrtausenden als unausrottbar erwiesen.

Sodann gibt es, jedenfalls nach unserer ebenfalls jahrelangen Erfahrung, eine überwiegende Anzahl vernünftiger Revierinhaber, die keinen behördlich zu genehmigenden Abschussplan brauchen, um Rehwild weidgerecht zu bejagen; treu dem in allen Jagdgesetzen verankerten Grundsatz, dass die Hege zum Ziel hat, „Wild als unverzichtbaren Bestandteil der heimischen Natur in einem gesunden und artenreichen Bestand und im Einklang mit seiner Umwelt zu erhalten“.

Zudem irrt Pfannenstiehl, wenn er beklagt, weder müsse ein Abschussplan erstellt werden „… noch gibt es Hinweise darauf, wie Rehwild nach Altersklassen einzuteilen ist oder welche Abschussanteile (Geschlecht und Altersklassen) erreicht werden sollten“. Denn in Brandenburg gilt immer noch die „Gemeinsame Richtlinie für die Hege und Bejagung des Schalenwildes der Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern (Wildbewirtschaftungsrichtlinie)“. Und die sieht in Abschnitt 2.4 vor, wie der Streckenanteil der einzelnen Altersklassen sein soll, wie Rehwild im jeweiligen Revier also weidgerecht bejagt und gehegt werden soll.

Diese Richtlinie gilt jedenfalls bis auf weiteres auch für die individuelle Abschussplanung des einzelnen Revierinhabers. Sie füllt die Hegeverpflichtung aus und stellt sicher, dass Rehwild demgemäß auch nach Alterklassen und Geschlechterverhältnis in einem gesunden landestypischen Bestand zu erhalten ist.

Das ist des Jägers Ehrenschild“.

Sicherlich hat das auch etwas mit Jagdethik zu tun, an der es z. B. die Forstverwaltung wohl fehlen ließ, als die Jagdzeit auf Böcke durch Sonderregelungen ungeachtet ihrer bemühten Begründung einfach dazu dienen sollte, den Rehwildabschuss wenigstens auf Drückjagden ohne Rücksicht auf Jagd- und Schonzeiten zu erhöhen, weil er im Jagdjahr bis dahin nicht geschafft wurde. Das aber räumt die neue DVO jetzt aus, wenn man auch beklagen kann, dass die Jagdzeit für Böcke bis zum 31.12. verlängert wurde – die Schlumpschützen freuts! Da ist es schon ein Erfolg, wenn der arme Bock nicht auch noch im Januar bejagt werden darf; hoffentlich bleibts dabei.

Fazit:

Der weidgerechte Jäger kommt gut ohne Abschussplan für Rehwild klar. Andere werden ihrem Revier, dabei aber leider eben auch Nachbarrevieren, mit Sicherheit in der mittleren und langen Sicht schaden.

Aber generell und gemessen an NRW und Baden-Württemberg und den Bestrebungen der Jagdgegner: es hätte schlimmer kommen können. Jedoch fühlt man sich bei den Änderungen des Jagdrechts landauf landab schon mal wie der berühmte Zeitgenosse, der aus dem 30. Stockwerk fällt und sich bei jedem Stockwerk, an dem er vorbeifällt, sagt: „Bis hierher isses noch mal gut gegangen“.

Deshalb sollten wir alle verhindern, dass wir mal irgendwann unten aufschlagen!

Ihr Dr. Wolfgang Lipps